Wanderarbeiterkinder in China

Wanderarbeiterkinder in China

 

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Die Wirtschaft in China boomt und das Land ist längst auf dem Weg, sich zu einer gestandenen Industrienation zu entwickeln. Doch der Fortschritt hat auch seine Schattenseiten. Um Arbeit zu finden und Geld zu verdienen, ziehen viele als Wanderarbeiter aus den ländlichen Regionen in die Städte. Doch ihre Kinder müssen sie oft zurücklassen.

 

 

Wanderarbeiter in China

Groben Schätzungen zufolge wachsen weit über 60 Millionen Wanderarbeiterkinder und damit rund ein Fünftel aller Kinder in China ohne ihre Eltern auf. Diese Zahl ist so groß, dass es sogar einen eigenen Namen für diese Kinder gibt. Sie werden liushou ertong, die Zurückgelassenen, genannt. Noch deutlich größer, nämlich mehr als viermal so groß, ist die Zahl der Wanderarbeiter, der mingongs.

Dabei teilen sich die Wanderarbeiter in zwei Gruppen auf. Die eine Gruppe sind Arbeiter, die seit mehr als einem halben Jahr fernab ihres Heimatortes arbeiten. Oft sind es ehemalige Bauern oder junge Erwachsene aus Bauernfamilien, die aus den ländlichen Gebieten in die Industrieregionen ziehen. Sie gehören der klassischen Schicht der Wanderarbeiter an. Der zweiten, sehr viel kleineren Gruppe werden Arbeiter zugerechnet, die weiterhin an ihrem Heimatort leben und arbeiten, aber nicht mehr in der Landwirtschaft tätig sind.

Stattdessen arbeiten sie beispielsweise in Gasthäusern oder Geschäften. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Gruppen ist deshalb wichtig, weil die klassischen Wanderarbeiter stärker von sozialen Schwierigkeiten betroffen sind. Dies fängt schon damit an, dass Wanderarbeiter an ihrem neuen Arbeitsort den sogenannten Hokou nicht bekommen. Der Hukou ist die offizielle Haushaltsregistrierung und ohne diese Registrierung bleiben den Wanderarbeitern viele Rechte verwehrt.

So haben ihre Kinder beispielsweise kaum eine Chance auf einen Platz in einer städtischen Schule und auch die Anmeldung zur Eingangsprüfung bei einer Hochschule ist nicht möglich. Ansprüche auf eine Rente oder Sozialleistungen könnten Wanderarbeiter zumindest in der Theorie erwerben. In der Praxis bleiben einige Sozialleistungen aber aus, bei anderen Sozialleistungen werden die Bezüge durch Abschläge deutlich reduziert.  

Das durchschnittliche Einkommen auf dem Land liegt bei unter 100 Euro monatlich. In der Stadt verdient ein Wanderarbeiter ungefähr dreimal so viel. Das ist ein Grund dafür, dass so viele Arbeiter bereit sind, teils tausende Kilometer von ihrem Heimatort entfernt und getrennt von ihren Familien arbeiten zu gehen.

Von dem Geld, das sie verdienen, bestreiten sie ihren eigenen Lebensunterhalt und schicken einen Teil davon an ihre Familien. Was übrig bleibt, legen sie zurück, für die Schulbildung ihrer Kinder und um sich später vielleicht ein Stück Land kaufen und ein Haus bauen zu können.

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Wanderarbeiterkinder in China

Für die Wanderarbeiterkinder wäre es in den Städten noch schwieriger als für ihre Eltern. Deshalb entschließen sich viele Wanderarbeiter dazu, ihre Kinder im Heimatort zurückzulassen. Die meisten der Kinder kommen bei ihren Großeltern oder anderen Verwandten unter. Hier finden sie ein Dach über dem Kopf, werden mit Essen versorgt und erfahren ein wenig Zuneigung. Nur ein sehr geringer Teil der Wanderarbeiterkinder ist komplett auf sich alleine gestellt und schlägt sich mit dem Geld durch, das die Eltern schicken.

Doch selbst wenn die Kinder bei ihren Großeltern oder Verwandten aufwachsen, kann von einem echten Familienleben meist keine Rede sein. Viele Ersatzeltern arbeiten selbst den ganzen Tag auf dem Feld, so dass keine Zeit bleibt, die Kinder zu beaufsichtigen.

Andere sind schon sehr alt und schlichtweg überfordert. Gerade in ländlichen Regionen haben die älteren Generationen wenig Schulbildung, weil klar war, dass sie später als Bauern ihre Felder bestellen würden. Fördern oder bei den Hausaufgaben helfen, können sie deshalb nicht. Für die meisten Wanderarbeiterkinder heißt das, dass sie später selbst zu Wanderarbeitern werden.

In den Dörfern gibt es keine nennenswerten Alternativen zu einer Tätigkeit in der Landwirtschaft, Unternehmen siedeln sich hier nicht an. Stattdessen ziehen es die Firmen und Konzerne vor, Arbeiter in die Städte zu holen und sie hier zu Fachkräften auszubilden.

Es ist übrigens ein Stück weit der Tradition geschuldet, dass es so viele Wanderarbeiterkinder gibt. So will es die Tradition, dass eine Familie mindestens einen Sohn, besser noch mehrere Söhne hat. Kommen nun aber statt Söhnen Töchter zur Welt, wächst die Anzahl der Kinder, bis die erhofften Söhne geboren werden. Die zurückgelassenen Kinder leiden oft unter der fehlenden Zuneigung.

Es fällt ihnen schwer, emotionale Bindungen aufzubauen und Nähe zuzulassen, weil sie es nie gelernt haben. Auch ihr Selbstvertrauen ist oft nicht sehr ausgeprägt. Um hier entgegenzusteuern, wurden einige Förderprogramme ins Leben gerufen. Zusätzliche Lehrer kommen in die Dorfschulen, helfen den Kindern bei den Hausaufgaben, verteilen kleine Geburtstagsgeschenke und schreiben zusammen mit den Kindern Briefe an die Eltern.

Die Hilfsangebote sind zweifelsohne ein Schritt in die richtige Richtung, eine echte Lösung ist aber nicht in Sicht. Und so bleibt vielen Wanderarbeiterkindern nichts anderes übrig, als die Tage bis zum chinesischen Neujahrsfest zu zählen. Dann nämlich kommen ihre Eltern, wenn es denn klappt, nach Hause.

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Hier schreiben Manfred Laue, - reisender Geschäftsmann im asiatischen Raum, sowie Hong Cian Shok - Backpacker wohnhaft in Deutschland, der jedes Jahr sich mehrere Wochen in Asien aufhält, sowie Christian Gülcan, mit Erfahrung aus 10 Jahren im Lebensmittel-Großhandel und Belieferung an asiatische Gastronomie, Betreiber und Redakteur dieser Webseite. Wir möchten Wissenswertes über asiatische Reiseziele, Kulturen und Wirtschaft vermitteln.

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